Jörg Maurer: Immer wieder überwältigend

Dienstag, 27 Dezember 2016 Satire vom Feinsten bringt Jörg Maurer bei der Benefiz-Lesung auf die Bühne.

Als Jörg Maurer nach 90-minütigem grandiosen Solo beifallsumtost von der Bühne abtritt, fragt eine Frau: „Ist jetzt Pause?“ Sie kann kaum glauben, dass der Erfolgsschriftsteller und begnadete (Musik-)Kabarettist tatsächlich
schon eineinhalb Stunden Programm gemacht hat – und das für einen guten Zweck. Was lässt sich Besseres sagen: Man hätte ihm liebend gerne nochmal so lange zugehört und zugeschaut.

Ein Autor, der seine herrlichen Texte selbst so anschaulich vortragen kann, dass die Bilder im Kopf sich quasi zum Film zusammensetzen, ist wahrlich selten. Den einzelnen Figuren, die er schreibend zu individuellen Charakteren geformt hat, denen man immer wieder gerne begegnet, verleiht er mit größter Wandlungsfähigkeit der Stimme auch beim Vortrag ihren persönlichen Ausdruck. Kurzum: Die Lesungen aus seinem neusten und achten Kriminalfall, der wie immer „im Kurort“ angesiedelt ist, ziehen das Publikum unweigerlich in den Bann. Richtig quälend jedes Mal aufs Neue der Interruptus, wenn Maurer unvermittelt abbricht und erklärt: „Hier müssen Sie nun selber weiter lesen…“ Doch die Enttäuschung währt nur kurz, denn zwischen den Lesungen gibt der Rezitator ab an den Kabarettisten – und der haut so richtig auf den Putz.

Zunächst einmal wäre die Qualität seiner Texte zu preisen: Die sind niemals niveaulos; Maurer braucht keine Plattitüden oder Zoten, um witzig zu sein. Da lässt wohl der ehemalige Lehrer grüßen, der vorab bei sich selbst Korrektur liest. Dann seine eindeutige Bühnenpräsenz: Er ist tatsächlich selbst der beste Darsteller seiner eigenen Programme. Ob er gekonnt singt (ein Klavier, das er ebenfalls bravourös bearbeiten kann, stand im Richard-Strauss-Saal leider nicht auf der Bühne), Dialekte nachahmt oder Typen parodiert – all das ist reinste Vergnügen. Und niemand im Saal muss befürchten, zur Gaudi des restlichen Publikums vorgeführt zu werden, was bei so manchem Kabarettkollegen leider zum schlechten Ton gehört.

Was aber hat man über den neuen Krimi erfahren? Der Titel lautet „Schwindelfrei ist nur der Tod“. Auch Maurer selbst, das hat er zuvor im Bühnengespräch mit seiner Lektorin Cordelia Borchardt verraten, ist ganz und gar nicht schwindelfrei. Bei der Recherche sei ihm schon schlecht geworden, als er den am Boden stehenden Schwebeballon besichtigt habe. „Man schreibt immer von dem, wovor man am meisten Angst hat“, gibt er Einblick in das Seelenleben des Autors. Und so gerät eine sehr heterogene Gesellschaft, die im Ballon schwebend die Schönheiten des Werdenfelser Landes von oben bestaunen möchte, in Todesnot, als es zur Explosion in luftigen
Höhen kommt. Ja, dann kann einem schon beim Zuhören schwindlig werden. Und die Ankündigung, über Kommissar Hubertus Jennerweins bislang eher unbekanntes Privatleben sei im neuen Buch „Unerhörtes“ zu erfahren, heizt die Neugierde natürlich ebenfalls mächtig an.

Dass ein Trickdieb, den der Autor eher als Künstler denn als Verbrecher angelegt hat, ebenfalls eine Rolle spielt im neuen Buch, nimmt Maurer zum Anlass, gleich selbst ein paar Zaubertricks vorzuführen. Wundert man sich, dass er das auch noch kann? Nein, denn von einem Tausendsassa wie ihm darf man alles offenbar erwarten. Und so stellt er an diesem Abend gleich noch ein zweites, kürzlich erschienenes Buch vor: „Bayern für die Hosentasche“. Die Lesung aus diesem über den Besuch eines „total authentischen“ bayrischen Dorfgasthofs, als „Geheimtipp des Heimatpflegers meines Vertrauens“, ist umwerfend komisch. Satire vom Feinsten.

Wie schön, dass Maurer seine vielfältigen Talente wieder einmal in den Dienst der guten Sache gestellt hat: Die Benefizveranstaltung der landkreisweit aktiven Mehrwert.Die Bürgerstiftung und des Garmisch-Partenkirchner/Murnauer Tagblatts hat eine Summe von 4500 Euro zugunsten der Stiftungsarbeit eingebracht.

Sabine Näher