Starthilfe für kleine Kämpfer

Mittwoch, 28 Dezember 2016 Die Lücke zwischen den Versorgungssystemen schließen Koordinatorin Susanne Giesler- Fauser und das Team der „Harl.e.kin“-Nachsorge.

Sie bilden die Brücke zwischen Klinikum und Alltag in der Familie. In dieser Phase sind die Mitarbeiter der „Harl.e.kin“-Nachsorge zur Stelle und unterstützen Familien mit Frühchen. Dieses Angebot, das im ganzen Landkreis gilt, unterstützen das Tagblatt und die Bürgerstiftung Mehrwert mit der Weihnachtsaktion.

510 Gramm, absolutes Untergewicht. Nur eine Handvoll Mensch. Ein Kind, das auf einen Inkubator angewiesen ist. Eines, dessen Lunge sich noch nicht voll entwickelt hat. Ein Baby, das die Eltern noch lange nicht mit heimnehmen dürfen. „In der 24. Woche geboren, war dieses Mädchen das kleinste Baby, das wir bisher betreut haben“, erinnert sich Susanne Giesler-Fauser. Der Kampf um sein Leben, die Sorgen um seine Entwicklung, die Angst, ob es auch an Gewicht zunimmt, belasten. Die Eltern, aber auch den Rest der Familie. „Gerade für Geschwisterkinder ist die Situation nicht einfach“, sagt die Koordinatorin der „Harl.e.kin“-Nachsorge im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Sie werden zur Nebensache, wenn sich aller Fokus auf das Frühchen richtet. Aber auch für die Mütter und Väter ist der Anfang schwer. Der Start ins Familienglück, den sie sich ausgemalt hatten, ist dahin. Durch die meist lange stationäre Versorgung des Kindes gerät alles durcheinander.

Kommt das Baby endlich heim, „dann entsteht meist eine Lücke“, betont Giesler-Fauser. Eine zwischen der Rundum-Versorgung im Klinikum und der familiären Routine. Die stellt sich durch diesen unruhigen Start nämlich
nur langsam ein. Die „Harl.e.kin“-Nachsorge hakt genau hier ein. Diese wurde nach einem Pilotversuch am Klinikum München-Harlaching – so erklären sich die ersten vier Buchstaben des Namens, die restlichen stehen für Eltern und Kind – vor zehn Jahren in Garmisch-Partenkirchen als einem der ersten bayerischen Standorte ins Leben gerufen. „In Gesprächen mit Eltern hat sich herauskristallisiert, wie wichtig diese Begleitung ist“, unterstreicht Giesler-Fauser.

Das hat auch das Bayerische Sozialministerium erkannt, das 90 Prozent der Kosten übernimmt. Die verbleibenden muss der Trägerverein schultern. Im Umkehrschluss bedeutet das für den Landkreis, dass das Kinder- und
Familienzentrum Garmisch-Partenkirchen des SOS-Kinderdorfes im Jahr 10 000 bis 12 000 Euro aus eigener Kraft stemmen muss. „Dazu sind wir dringend auf Spenden angewiesen“, sagt Giesler-Fauser. Nur so „ist es möglich, dieses bewährte Angebot, durch das wir schon 260 Familien begleiten konnten, aufrecht zu erhalten“. Durch die Weihnachtsaktion des Garmisch-Partenkirchner/Murnauer Tagblatts in Kooperation mit Mehrwert. Die Bürgerstiftung erhofft sie sich „ein Polster für ein paar sorgenfreie Jahre“.

Die „Harl.e.kin“-Mitarbeiter kümmern sich um alle Frühchen, die ab 1250 Gramm im Klinikum Garmisch-Partenkirchen geboren wurden, und alle, die im Landkreis daheim sind. Das Mädchen, das bei seiner Geburt nur 510 Gramm wog, erblickte in München das Licht der Welt. Diese Babys sind für Giesler-Fauser „kleine Kämpfer“, die trotz aller Sorgen, die man sich um ihre Entwicklung und Gesundheit macht, viel Positives zurückgeben.

Sie und ihre Familien fängt ein Tandem, bestehend aus einer Nachsorgeschwester und einer Fachkraft der Frühförderstelle, auf. „Die enge Zusammenarbeit ermöglicht die passgenaue und abgestimmte Beratung und  Begleitung im Übergang von der Klinik bis nach Hause.“ In der Regel dauert diese Phase zwischen sechs und zwölf Monaten – abhängig davon, wie es dem Baby und dem Rest der Familie geht. Oft erwartet sie erst hier „ein belastendes Hin und Her“, sagt Giesler-Fauser. „Einige Kinder müssen noch mehrfach stationär ins Krankenhaus oder gleich ins Herzzentrum nach München.“ Und immer schwingt die Angst mit, ob es das Kleine auch schafft. Bei allen Hilfen. Zweimal ging der Kampf verloren. „Die Kinder sind nach mehreren Monaten gestorben.“ Eine harte Zeit, auch für die „Harl.e.kin“-Mitarbeiter.

Dass sie trotzdem immer zur Stelle sind, auch die entlegensten  Winkel des Landkreises und darüber hinaus besuchen – „wir sind in Schöffau genauso unterwegs wie in der Jachenau oder in Wildsteig“ –, nehmen die Familien dankbar an. Gerade die wohnortnahe Versorgung, oft sind frühzeitige Krankengymnastik oder Physiotherapie entscheidend für die Frühchen, spielen dabei eine Rolle. Was das Garmisch-Partenkirchner Modell
zu einem besonderen macht, ist die enge Kooperation mit dem Klinikum und dem Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ). „Die Vernetzung ist wichtig, auch die mit anderen Fachstellen, niedergelassenen Praxen und Hebammen, um ganz individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse einzugehen“, sagt die „Harl.e.kin“-Koordinatorin, „So finden die Eltern Halt und gewinnen Sicherheit im Umgang mit ihren Kindern.“